Kugelgestalt der Welt : Magellans gefährlicher Weg zu den Gewürzinseln
Aachen Ein Portugiese in spanischen Diensten erbringt den Beweis für die Kugelgestalt der Welt – und eröffnet eine neue Route zu den Reichtümern des Pazifiks
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Am 20. September 1519 verlässt eine kleine Flotte von fünf Schiffen Sanlúcar de Barrameda an der südspanischen Atlantikküste. Fünf Wochen sind seit ihrer Ankunft aus Sevilla verstrichen, aber nun sind die Schiffe endlich voll bemannt und ausgerüstet. Sie stehen unter dem Kommando von Fernando Magellan. Sein Auftrag lautet, einen neuen Seeweg zu den Gewürzinseln zu finden – auf dem bisher unerforschten westlichen Weg. Existiert eine Route südlich von Amerika, und falls ja, wo?
1492 hat Spanien eine erste große Expedition ausgesandt. Der Genuese Christoph Kolumbus überquert den Atlantik, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden. Er scheitert, entdeckt aber einen neuen Kontinent – Amerika. Portugal hat zu diesem Zeitpunkt bereits Kolonien und Handelsniederlassungen in Afrika.
Kurz nach Kolumbus‘ Rückkehr teilt Papst Alexander VI. die Welt zwischen den katholischen Seemächten Portugal und Spanien auf. Im Jahr darauf verschiebt man diese Grenze im Vertrag von Tordesillas noch etwas nach Westen. Alle Gebiete östlich der westlichen Länge 46° 37’ sollen an Portugal fallen, westlich dieser Linie herrscht die spanische Krone.
Die Portugiesen nutzen das ihnen zugewiesene Gebiet für ausgedehnte Expeditionen. Der Portugiese Vasco da Gama entdeckt 1498 den Seeweg um Afrika herum. Es folgen die Durchquerung des Indischen Ozeans und die Errichtung von Handelsniederlassungen in Indien. Damit hat Portugal ein Monopol auf den einträglichen Handel mit Spezereien.
Die spanischen Konquistadoren hingegen plündern und zerstören in den nächsten Jahren die großen indigenen Reiche Mittel- und Südamerikas. Einer von ihnen, Vasco Núñez de Balboa, erblickt 1513 als erster Europäer den Pazifischen Ozean. Sowohl Spanier als auch Portugiesen sind von der Existenz eines westlichen Seewegs zu den Gewürzinseln überzeugt. Beide Staaten haben Expeditionen auf die Reise geschickt – erfolglos. Als Magellan, damals bereits als langgedienter Soldat in Afrika und Indien, bei Manuel I., dem portugiesischen König, eine weitere Expedition anregen möchte, wird seine Idee rundweg abgelehnt. Er erhält einzig die Erlaubnis, um eine Anstellung in Spanien nachzusuchen. Genau dies tut Magellan.
1518 schließt er mit dem spanischen König Karl I. (seit 1520 als Karl V. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) einen Vertrag, in dem er sich verpflichtet, einen Seeweg in den Pazifik zu finden und „Inseln und Festländer zu entdecken, reiche Gewürzvorkommen und andere Dinge“. Allerdings ist der portugiesische Teil der Welt davon ausdrücklich ausgenommen. Im Gegenzug soll er einen Anteil an den Gewinnen der Expedition erhalten und Gouverneur der neu entdeckten Länder werden. Der König stellt Schiffe und Ausrüstung zur Verfügung. Die kleine Flotte, bestehend aus den Schiffen Trinidad, San Antonio, Concepción,Victoria und Santiago ist vollständig überholt und ausgerüstet mit Proviant, Ausrüstung und Artillerie für zwei Jahre Fahrt.
Die Schiffe haben zwischen 75 und 120 Tonnen Ladekapazität. Die Mannschaften stammen, weil nicht genügend spanische Seeleute teilnehmen wollen, aus aller Herren Länder. Der Chronist der Reise, Antonio Pigafetta, gibt die Zahl der Männer mit 237 an. Drei Monate später kommt die Flotte an der brasilianischen Küste an. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt setzen die Schiffe die Reise gen Süden fort. Am 10. Januar 1520 erreichen sie die Mündung des Rio de la Plata. Hier soll, gemäß des Berichtes einer früheren Expedition, die Meerenge zu finden sein, die die Verbindung in den Pazifik darstellt.
Magellan sucht einen Monat danach, bevor er seine Flotte entlang der Küste gen Süden führt. Schließlich lässt er in einer Bucht ankern, um zu überwintern. Dort kommt es am 1. April zum Aufstand. Geschwächt durch Krankheiten, Erschöpfung und Hunger, fordern die Matrosen die Rückkehr nach Spanien. Magellan gelingt es, die Meuterei niederzuschlagen. Einer der Rädelsführer wird enthauptet, zwei weitere werden bei der Abreise zurückgelassen. Die anderen Seeleute werden in Ketten gelegt und nur zu den schwersten Arbeiten herangezogen. Die Santiago, das kleinste Schiff, wird ausgesandt, um den weiteren Weg zu erkunden.
Doch sie erleidet während eines Unwetters Schiffbruch. Im August verlässt die Flotte die Bucht und segelt weiter nach Süden. Nach zwei Monaten gelangt die Flotte an ein Kap. Ein plötzlich auftretender Sturm trennt die Schiffe. Zwei gelangen auf die hohe See, zwei andere werden in eine große Bucht getrieben. Nach der Rückkehr berichten sie von einer engen Passage am Ende dieser Bucht. Magellan lässt diese Durchfahrt erkunden. Die San Antonio kehrt nicht zurück. Meuterer haben – unbemerkt vom Rest der Flotte – das Schiff in ihre Gewalt gebracht und den Rückweg nach Spanien angetreten, wo sie am 21. Mai 1521 ankommen. Somit verbleiben nur noch drei Schiffe, die schließlich die neu entdeckte Meeresstraße durchqueren und am 28. November 1520 den Pazifik erreichen. Endlich sind sie an ihrem ersten Ziel, dem großen Ozean jenseits Amerikas, angelangt. Magellan soll, heißt es, vor Freude geweint haben. Gemeinhin ist im Mittelalter die Kugelform der Erde bekannt gewesen.
Auch kirchliche Gelehrte wie Isidor von Sevilla und Thomas von Aquin sind davon überzeugt gewesen. Und auch der Reichsapfel, eine der Insignien des Heiligen Römischen Reiches, gilt als Symbol der Weltkugel. Magellan sagte dazu: „Die Kirche sagt: Die Erde ist eine Scheibe. Ich aber weiß, dass sie rund ist, da ich ihren Schatten auf dem Mond gesehen habe; und ich habe mehr Vertrauen in einen Schatten als in die Kirche“. Er weiß also genau, dass er nun weiter nach Westen segelnd Asien erreichen muss. Was er nicht weiß, ist, wie groß der Pazifik ist. Und dieses Nichtwissen wird der Expedition fast zum Verhängnis.
Entdeckung der Magellanstraße
Nachdem die Flotte einige Tage entlang der chilenischen Küste gesegelt ist, setzt sie schließlich nordwestlichen Kurs Richtung Asien. Aber diese Route berührt keine der zahlreichen Inseln des Pazifiks. Nur zwei Mal passieren sie kleine unbewohnte Eilande, an denen sie nicht landen können. Sie benötigen über 100 Tage zur Überquerung des riesigen Ozeans, und das mit unzureichenden Vorräten. Alter Zwieback mit Maden und Suppe aus Sägespänen werden zur täglichen Mahlzeit. Die Wasservorräte werden faulig. An Bord kosten Ratten einen halben Dukaten das Stück, aber es gibt nicht genug, um den Hunger aller zu stillen. Viele Seeleute erkranken an Skorbut, einer Krankheit, die, wie man erst 240 Jahre später erkennen wird, durch Mangel an Vitamin C hervorgerufen wird. 29 Männer rafft die Krankheit dahin.
Endlich gelangen die Schiffe an die Küste Guams, der größten Insel der Marianen-Gruppe im Westpazifik. Die Eingeborenen begrüßen die Fremden freundlich und kommen ohne Zögern an Bord. Dort stehlen sie jedoch alle möglichen Gegenstände, besonders Eisen hat es ihnen angetan. Es kommt zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, bei denen ein Insulaner ums Leben kommt. Am Morgen des folgenden Tages befiehlt Magellan eine Strafexpedition. Sieben Menschen werden von den Matrosen getötet, die einen Großteil des Diebesgutes zurückschaffen. Die Inseln erhalten den Namen Islas de los Ladrones – Inseln der Diebe.
Magellans Tod
Nach Auffrischung der Vorräte segelt die Flotte in Richtung der heutigen Philippinen, die sie am 16. März 1521 erreicht. Hier ist der Empfang deutlich freundlicher. Man tauscht Geschenke aus, Eisenwaren gegen chinesisches Porzellan und Gold. Der Kaplan der Flotte hält die erste katholische Messe auf den Inseln. In den nächsten Wochen lassen sich einige Häuptlinge und mehr als 2000 ihrer Untertanen taufen. Dies geht Hand in Hand mit der Anerkennung des spanischen Königs als oberstem Herrscher der Inseln. Ob nun die christliche Religion oder die Demonstration der Schiffsartillerie dafür verantwortlich gewesen ist, sei dahingestellt.
Jedenfalls bleibt der Häuptling der Nachbarinsel Mactan unbeeindruckt. Magellan setzt am 27. April mit 60 Bewaffneten über, um die spanische Herrschaft und den katholischen Glauben durchzusetzen. Trotz ihrer Rüstungen und modernen Feuerwaffen haben er und seine Männer keine Chance gegen 1500 wütende Krieger. Mehrere Spanier fallen, und während des Rückzugs wird auch Ferdinand Magellan getötet.
Einer der bekehrten Häuptlinge lädt die Offiziere der Flotte wenige Tage später zu einem Festmahl zu Ehren der Gefallenen ein. Dies entpuppt sich jedoch als Falle, denn ohne den Nimbus der Unbesiegbarkeit ist auch der christliche Glaube nicht mehr so überzeugend. 27 Spanier werden bei diesem Überfall getötet.
Die Flotte verlässt die Philippinen. Da nur noch 115 der ursprünglich 277 Besatzungsmitglieder am Leben sind, entschließt man sich, die Concepción aufzugeben und in Brand zu stecken. Während der kommenden sechs Monate, in denen sich die Trinidad und die Victoria auch als Piratenschiffe betätigen, suchen sie den Weg zu den Molukken, einer Inselgruppe, die heute zu Indonesien gehört. Schließlich, am 6. November 1521, gelangen die beiden Schiffe zur Insel Tidore. Mit dem dortigen Sultan, dem Europäer durchaus bekannt sind, schließen sie einen Vertrag und können endlich die lang ersehnten Gewürze an Bord nehmen.
Einzig der Victoria gelingt die Heimkehr
Am 21. Dezember tritt die Victoria die Heimreise an. Zuerst läuft sie Timor an, um von dort aus den Indischen Ozean zu überqueren. Die Trinidad versucht im April die Rückreise über den Pazifik. Sie muss wegen schlechten Wetters und zunehmender Nahrungsmittelknappheit umkehren und zu guter Letzt einen portugiesischen Hafen anlaufen. Die Portugiesen haben keinen Grund, die Spanier nachsichtig zu behandeln, schließlich haben sie sich als Piraten betätigt. Außerdem sind sie unliebsame Mitwisser eines Geheimnisses, das Portugal gerne für sich behalten möchte: Die Route zu den Gewürzinseln. Also nehmen sie den kläglichen Rest der Besatzung gefangen – nur 25 Mann haben den Versuch einer erneuten Überquerung des Pazifiks überlebt.
Davon kehren gerade einmal fünf einige Jahre später nach Europa zurück. Die Victoria hat zwar mehr „Glück“, aber auf ihrer Reise von Timor bis zu den Kapverdischen Inseln verliert sie 21 Mann. Dreizehn weitere werden auf den Kapverden von den Portugiesen gefangen genommen. Erst am 6. September 1522, fast drei Jahre nach ihrem Aufbruch, gelangt die Victoria wieder in den Hafen von Sanlúcar de Barrameda. Sie hat 69.000 Kilometer zurückgelegt. Es sind nur noch 18 Mann an Bord und eine Ladung von 26 Tonnen Gewürzen. Der Erlös deckt nicht einmal die Kosten der Expedition.